«Die Genfer Bilder haben ihren Palast» titelte das Journal de Genève im Mai 1993, um die Einweihung des Centre d’iconographie zu feiern, ein Bauwerk, das die ikonographischen Sammlungen des Museums und der Bibliothèque de Genève beherbergt. Es liegt am vorderen Ende eines neuen Gebäudes, das die Stadt Genf am Boulevard du Pont-d’Arve unter Leitung des Architekten Jacques Schaer errichtet hat. Die Versammlung der beiden Dokumentenbestände an einem Ort führte nicht sofort zu einer einheitlichen Verwaltung. Diese Vereinheitlichung erfolgt erst 2008, als die beiden Sammlungen dokumentarischer Bilder von Genf unter die alleinige Verantwortung der Bibliothèque de Genève gestellt werden. Eine Umorganisation der Sammlungen infolge der administrativen Vereinfachung war nicht notwendig, da das neue Centre die Sammlungen von Kunst- und kunsthandwerklichen Gegenständen nicht übernommen und auf einen permanenten Ausstellungsort verzichtet hatte.
Eine rationellere Verwaltung der Sammlungen dokumentarischer Bilder der Stadt Genf ist heute um so nötiger, als ihre Untersuchung, Behandlung, Inventarisierung und Digitalisierung in eine neue Grössenordnung eingetreten ist und bedeutende materielle und menschliche Ressourcen mobilisiert. Seit dem Ende des vergangenen Jahrhunderts wird das Centre d’iconographie wie die meisten Einrichtungen seiner Art mit einer Flut an Fotografien konfrontiert, die in den letzten Jahren stark zugenommen hat. Das Interesse dieser Bilder, die die Geschichte der Stadt dokumentieren, ist unbestreitbar; das belegt auch ihre starke Verbreitung in diversen Publikationen. Der Umgang mit der extrem grossen Menge an eintreffenden Bildern – pro Jahr sind es zehntausende oder gar hunderttausende, oft farbige Fotografien, die grossteils auf empfindlichen Trägern konserviert sind – sowie deren Bearbeitung und Erschliessung stellen eine grosse Herausforderung für das Institut dar. So hat das Centre seit 2008 die Konvolute verschiedener Fotografen und Ateliers aufgenommen: César Bergholz, Atelier Boissonnas, Freddy Bertrand, Atelier Coloris, Christian Murat, Donald Stämpfli, Gertrude Trepper, Daniel Winteregg sowie die Archive der Zeitungen Journal de Genève, Nouveau Quotidien und La Suisse. Nur manche dieser Bestände enthalten digitale Bilder, deren Anteil an den Sammlungen des Centre d’iconographie noch äusserst gering ist.
Diese Erwerbungen verstärken in hohem Mass den Charakter des Centre d’iconographie als visuelles Archiv. Die Bestände von Fotoagenturen und Fotografen erweitern den Begriff der Genfer Ikonographie, der bislang in seiner ursprünglichen Bedeutung grundlegend für die Sammlungen war, beträchtlich. Durch die Globalisierung hat sich die enge Beziehung der örtlichen Fotografen zu ihren Heimatländern gelockert in einer Zeit, da der Fotograf seine Motive oft in der Ferne sucht. Will man heute den Bestand eines Genfer Fotografen aufbewahren, heisst das, Bilder aus der ganzen Welt entgegenzunehmen. Diese Internationalisierung wurde schon durch das Werk von Frédéric Boissonnas (1858-1946) offensichtlich, der zu den Sammlungen bemerkenswerte Bilder beisteuerte, die auf dem Balkan, in Griechenland und Nordafrika aufgenommen wurden.